Was bist du bereit, zu glauben?

Jetzt wünschen wir uns von dir, dass du dir selbst einmal diese Frage stellst und ehrlich zu dir bist.

Was markiert die Grenze, an der du aufhörst, jemandem zu glauben, wenn er dir etwas aus eigener Erfahrung erzählt?
Stimmst du mir zu, wenn ich sage, dass manche Dinge nur der Mensch, den es betrifft, selbst wissen, fühlen und beurteilen kann - und niemand sonst?
Ich mag die Farbe Schwarz und Kartoffelchips. Mich machen Etiketten in Kleidung und flackerndes Licht schier irre. Ich habe Hunger, Durst. Ich muss pinkeln.
Niemand käme auf die Idee, mir das abzusprechen oder sagen zu wollen, dass ich mich irre, oder?
Wie ist es mit: ich habe Schmerzen, ich hatte einen Alptraum, ich habe Angst?

Und was, wenn ich schonungslos etwas Fürchterliches über sadistische, organisierte und rituelle Gewalt und die daraus entstandenen Folgen erzähle, wie ich es in diesem Buch tun werde?

Glaubst du, dass die Unmöglichkeit, jemandem eine Schuld zweifelsfrei nachzuweisen, etwas darüber aussagt, ob das Verbrechen tatsächlich geschehen ist - oder ob das Opfer gelogen hat?
Dann glaubst du womöglich auch daran, dass eine Leiche wieder aufersteht, weil der Mörder nicht gefasst und verurteilt werden konnte.

Jeder von uns hat seinen eigenen Horizont.
Gewisse Maßstäbe, Klischees und Vorurteile wohnen mietfrei in unseren Köpfen.
Klassismus, Rassismus, Misogynie, patriarchalisches Denken, Diskriminierung, Ableismus, Adultismus, Empathielosigkeit, Rechtfertigungen für Gewalt.
Von allem tragen wir etwas in uns - und geben es (unhinterfragt) an die nächste Generation weiter.
Woher kommt das? Wie, wann und warum haben sich derartige Denkweisen in unseren Köpfen eingenistet?

Was gibt einem Menschen einen Wert? Die Leistung, die jemand erbringt? Das Aussehen?
Die Zahl auf dem Bankkonto? Was glaubst du?

Glaubst du an die Wissenschaft? Welchen Quellen vertraust du?

Glaubst du auch, dass es immer noch neue Dinge zu entdecken, zu erforschen gibt?
Was würden die Babys sagen, die noch bis in die 1980er Jahre ohne Narkose operiert wurden, weil man nicht glaubte, dass sie Schmerzen empfinden - obwohl sie diese bestmöglich zum Ausdruck brachten?

Reicht ein 90-sekündiges Video in den sozialen Netzwerken, um umfassend informiert zu sein?
Wie viel Zeit bist du bereit zu investieren, um Fehlinformationen von korrekten zu unterscheiden,
und um nicht nur eine Meinung, sondern fundiertes Wissen zu haben?
Warum glaubst du, dass du vor Propaganda, Demagogen und Maipulation gefeit bist?

Und irgendwie ist das Wort „Glaube” seltsam in diesem Kontext.
Es ändert rein gar nichts an einer Tatsache, wenn du dich weigerst, sie zu glauben.